Geschwindigkeit der Digitalisierung

Liberalisierung auf Koks

Energieversorger fuhren in der Vergangenheit traumhafte Gewinne und viele von Ihnen tun dies auch heute noch. Erst einmal abzuwarten und nichts zu tun war trotz Liberalisierung und Anreizregulierung oft ein erfolgversprechendes Mittel. Die Digitalisierung ist im Vergleich zu den regulatorischen Veränderungen eine brachiale Urgewalt. Die Stadtwerke und Konzerne im Stadtwerke-Pelz müssen deshalb jetzt ihre gelernten Routinen ablegen und die eigene digitale Transformation sofort einleiten.

Der Druck ist heute hoch und die EVUs haben viele Prozess verändert

Die Energieversorger kommen aus dem Paradies der integrierten Monopolunternehmen. Heute leben sie  „nur“ noch im gelobten Land. Natürlich hat sich viel getan und im Vergleich zu früher ist der Druck höher geworden. Allein zur politischen Landschaftspflege gehört Jammern zum Handwerk der Energiebranche.  Aber die Energieversorger klagen auf hohem Niveau: Auf fünf Jahre planbare Erlöse wie im Netzbetrieb? Über fünfzig Prozent der Kunden haben noch nie den Anbieter gewechselt wie im Energievertrieb? Für viele andere Branchen unvorstellbare Traumzustände.

Schneller als der Stillstand im monopol - aber nicht mit Lichtgeschwindigkeit

Seit Beginn der Liberalisierung befindet sich die Energiewelt in einer Transformation. Die Energiewende verstärkt den Veränderungsdruck zusätzlich.  Die Kunden der Energieversorger sind aber bisher ein beharrliches Völkchen. Wie formulierte es ein Vertriebsleiter nach dem dritten Bier: „Ich brauche keine Innovation. Von den Kunden, die zu faul oder zu doof zum Wechseln sind, können wir bis zu meinem Renteneintritt noch gut leben.“

Tatsächlich kann man seine These mit Statistiken unterfüttern:

Die Wechselquote bei Stromanbietern in Deutschland ist gering
Wechselquote bei Stromanbietern in Deutschland

Die aktuellen Zahlen zur Wirtschaftlichkeit von Energieversorgern geben ihm Recht: 

EBITDA von EVU in Deutschland nach wie vor hoch.
EBITDA von EVU in Deutschland

Zwischenfazit: Die EVUs kommen aus der Welt der linearen Veränderung und in dieser Welt für hat sich das Warten ausgezahlt. Die Digitalisierung ist aber in der Welt der exponentiellen Veränderung verwurzelt.  Das bedeutet, es findet nicht nur Wachstum statt, sondern die Steigerungsraten wachsen ebenfalls an. Trends verstärken sich immer weiter. Häufig verdoppeln sich Werte innerhalb eines Jahres

 

Ein einfaches Beispiel zur Verdeutlichung der Unterschiede:

 

In der linearen Welt gehen Sie 30 Schritte. Am Ende haben Sie ungefähr eine Strecke von 30 Metern zurückgelegt. Kein überraschendes Ergebnis. In der exponentiellen Welt gehen Sie ersten Schritt: Ein Meter geschafft - nach dem zweiten Schritt drei Meter und nach dem dritten sieben Meter. Und nach dem 30. Schritt? Mit dem 30. Schritt können Sie bereits einmal die gesamte Erde umrunden. Mit anderen Worten: Exponentielle Veränderungen und damit die Veränderungsgeschwindigkeit der Digitalisierung passen nicht zu unseren gewohnten Denkmustern.

Vier Beispiele dafür, dass die digitale Transformation tatsächlich genauso schnell abläuft:

Gigantischer Anstieg der Geräte im Internet
Anzahl Devices im IOT

Alles wird in Zukunft connected sein. Und die Zukunft wird viel schneller kommen, als viele Führungskräfte denken. Möglicherweise möchte ihr Bürgermeister dann wissen, weshalb Monteure noch vor Ort den Schleppzeiger in Ortsnetzstationen ablesen. Die beste Erklärung (nach der IT-Sicherheit) sollte dann nicht sein: „Der Leiter Netzführung war damit beschäftigt den schematischen Netzplan auszudrucken.“

Microservices im Vormarsch
Anzahl APIs im Internet

Die Anzahl der APIs wächst ebenfalls rasant. Der Austausch zwischen verschiedenen Systemen und Plattformen wird zum Standard der IT-Branche. Offene IT-Systeme und Mircoservices sind also Trends, denen sich auch EVUs nicht auf ewig entziehen können.

Werbung im Internet überholt das TV
Werbeausgaben online vs. TV.

Das dritte Beispiel hat wenig Relevanz im operativen Geschäft der Stadtwerke. Es zeigt aber, dass die neue Welt die alte Welt überholt.

Immer mehr Start-ups mit mehr als einer Milliarde bewertet.
Unicorns - Start-ups mit einer Bewertung über einer Milliard Dollar.

Zur Erinnerung: Unicorns (Englisch für Einhörner) sind Start-ups, die mit über einer Milliarde Dollar bewertet werden. Aus der Graphik lassen sich mehrere Informationen ableiten: Erstens werden es immer schneller immer mehr. Zweitens verkauft außer Tesla keins der Start-ups ein physisches Produkt. Drittens sind die meisten der Einhörner dem gemeinen Stadtwerker vollkommen unbekannt.

„Glücklicherweise“ befindet sich die Energiebranche in einer regulierten und geschützten Umwelt, die nicht das natürliche Habitat von Einhörnern aus dem Silicon-Valley ist.  Die aktuelle Regulierung mit diversen Umlagen und anderen Hürden zerstört den Business Case vieler Start-ups. Auch wenn die Start-ups bereits in internationalen Strommärkten den Wert ihrer Geschäftsmodelle nachweisen konnten, sind sie nicht zwangsläufig in Deutschland erfolgreich.

Warum abwarten falsch ist und was zu tun ist

Jetzt wieder abzuwarten, während der Zug Fahrt aufnimmt, ist aber die falsche Entscheidung. Wer jetzt den Start verschläft muss bald versuchen, auf einen fahrenden ICE aufzuspringen. Wer schon mal in Leverkusen am Bahnhof war, weiß wie schwierig das ist. 

Was Entscheider in der Energiebranche jetzt tun müssen:

 

1.      Jetzt eine Grundsatzentscheidung treffen.

Entweder jetzt die digitale Welle surfen oder den Rückzug aktiv managen. Im ersten Fall müssen Sie jetzt lospaddeln, damit Sie eine realistische Chance haben, am Ende oben auf zu sein. Im zweiten Fall müssen Sie eine Strategie entwickeln, mit der Sie die analogen Assets (Marke, Netze, technische Fachkräfte) bewirtschaften können. Das heißt dann aber auch, dass sich am Ende Andere, z.B. Plattform-Anbieter und Aggregatoren, den Platz an der digitalen Sonne sichern werden.

 

2.   Go Big or go home. 
Digitalisierung erfordert vollen Einsatz und die Transformation der gesamten Organisation. Organisation umfasst alle

Bestandteile, u.a. Menschen und Qualifikationen,  IT, Anreizsysteme, Steuerungssysteme oder die Organisationsstruktur. Eine junge Uniabsolventin zur Innovationsmanagerin zu machen wird nicht ausreichen. Entweder man entscheidet sich für die digitale Transformation und arbeitet massiv an allen Dimensionen der  eigenen Organisation oder man lässt es. Eine halb-digitalisierte Organisation ist so gut wie ein zu fünfzig Prozent fertiggestellter Schiffsrumpf.

 

3.    In die Produktentwicklung investieren.

Förderung der Innovationskultur und schöne Räume mit Möbeln aus Paletten sind nett, aber reichen nicht aus. Die Mitarbeiter müssen an der Entwicklung und Vermarktung von Produkten lernen, was Digitalisierung heißt. Auf einer Konferenz mit jungen Gründern zu reden, gibt ein Gefühl für die aktuelle Dynamik. Wer aber Produkte mit einem Start-up entwickelt erzeugt Aha-Erlebnisse. Zum Beispiel,  wenn die jungen Wilden mit dem ersten konkreten Prototypen um die Ecke kommen, während die Stadtwerker noch von „man-müsste-mal“ reden. 

Die digitale Welle rollt
Digitale Welle im Anmarsch

Eigentlich ist es wie beim Surfen: Wenn man die Welle reiten will, muss man erst paddeln und Fahrt aufnehmen und dann beherzt aufstehen. 

 

Wer zu lange wartet oder zu langsam aufsteht, wird die Welle nicht reiten.

 

 

 

 

Also: 

Los geht's! Paddelt wie der Teufel!

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